viewfinder #HARZ #11 Bergwächter
120 Meter lassen sich die „Bergwächter“ an einem dünnen Drahtseil in den Schacht hinab. Als zusätzliche Sicherung läuftein Bergsteigerseil mit. Die alte Fördermaschine ist schon lange außer Betrieb. Eine selbstgebaute elektrische Winde übernimmt ihre Aufgabe. Der Schacht ist eng und rutschig seine Wände nass und schmierig.
Es wird immer paarweise eingefahren. Man hängt sich am Seil gegenüber und stützt sich mit den Füßen ab so dass die Retter immer in der Mitte desSchachtes in die Tiefe gleiten. Wo früher ein Förderkorb lief hängen die Männer und Frauen heute in Klettergeschirren. Das strapaziert Rücken und Bauchmuskulatur. Unten angekommen platscht es: Die erreichte Sohle steht beinahe knietief unter Wasser. Das eiskalte Nass schwappt fast in die Gummistiefel.
Alles was tiefer liegt ist seit Jahren überschwemmt. Seit mehr als 80 Jahren wird hier kein Erz mehr gefördert.
Die Bergwacht Untertagerettung ist eine Fachgruppe der Bergwacht Harz. Als einzige derartige Rettungseinheit in Deutschland haben sich die Männer und Frauen auf die Rettung von Verunglückten im Altbergbau spezialisiert. Die Mitglieder der Truppe kommen aus ganzDeutschland. Die meisten von ihnen entstammen dem SAR-Team (Search And Rescue) der Grubenarchäologischen Gesellschaft (GAG). Alle sind selbst Hobbyforscher,die sich auf einen sehr speziellen Zweig der Industriegeschichte konzentrieren. Die Erforschung und Bewahrung des montanhistorischen Kulturgutes ist ihr Ziel. Die Expeditionen untertage sind oft anstrengend und nie ganz ungefährlich.
Herausforderung Altbergbau
Aus dieser Erfahrung heraus entstand die Idee zur Gründung einereigenen Rettungstruppe. Professionelle Grubenwehren und Höhlenretter waren in der Regel nicht mit den speziellen Anforderungen oft schon seit Jahrhunderten verlassener Bergbauanlagen vertraut. So entstand die Idee, die zuerst zur Gründung des SARTeams und dann zur Bergwacht- Spezialeinheit führte. Einen eigenen Ausbildungsweg für diese speziellen Grubenretter gibt es nicht. Die meisten kommen aus der Forschung, einige aus der Höhlen- und Höhenrettung. Einen Hang zu besonderen Herausforderungenhaben jedoch alle, die dort tätig sind.
Michael Pfefferkorn-Ungnad ist seit Jahren dabei. „In alten Stollen kann es oft ziemlich schnell und ziemlich weit abwärtsgehen.“ Er weiß, dass Besucherbergwerke, wie sie viele Menschen kennen, nichts mit dem echten Altbergbau zu tun haben. Die Suche nach dem Unbekannten treibt daher immer wieder auch Amateure dazu, in alte Stollen vorzudringen. „Schwarzbefahrer nennen wir diese Menschen, die oft wenig erfahren und schlecht ausgerüstet sind“, sagt der Experte. Die größte Schwierigkeit besteht, wenn sich jemand nicht mehr allein fortbewegen kann. Ein an der Erdoberfläche harmloser Bänderriss oder ein gebrochenes Bein werden in einem dunklen, engen Stollen weit weg vom Mundloch schnell zu einem großen Problem.
Gesunder Menschenverstand
Eine kleine Ursache hat in einem engen, brüchigen und tiefgelegenen Grubenbau eine große Wirkung. „Bis der erste Retter vor Ort ist, können Stunden vergehen und dann kommt ganz schnell das Problem der Unterkühlung dazu“, beschreibt Pfefferkorn-Ungnad die Hauptschwierigkeiten. Glücklicherweise sind Einsätze dennoch selten. Tödliche Unglücke sind bisher kaum vorgekommen. In den vergangenen zwanzig Jahren gab es zwei Todesopfer im Altbergbau und etwa zwei Dutzend bekannte Unfälle. Wie groß die Dunkelziffer ist, weiß allerdings niemand. Bei einem Todesfall kam es zu einem Absturz und der zweite Tote war ein Mineraliensammler, der verschüttet wurde. In beiden Fällen war Unachtsamkeit und Leichtsinn die Unfallursache. Oft fehlt dann doch leider ein wichtiges Ausrüstungselement, meint Michael Pfefferkorn-Ungnad: „GMV, der gesunde Menschenverstand.“
Video/ Foto/ Panorama/ Text: Stefan Sobotta